"Woher kommen Ideen?" Das ist, so vermute ich, eine der ältesten und grundlegendsten Fragen, seit der Mensch Geschichten schreibt. Ein endgültige Antwort darauf - wie etwa den kosmischen Ideenpool, den man anzapfen kann, oder Stephen Kings Fornit, der in der Schreibmaschin lebt und den Autor für ein paar Kekskrümel mit Inspiration segnet - habe ich leider auch nicht, aber vielleicht hilft eine ungefähre Beschreibung meiner Arbeitsmethode, damit du dir zumindest teilweise ein Bild machen kannst.
Ich bin grundsätzlich ein Bauchschreiber, d.h. dass ich meist von einer einzigen Idee, einer Fragestellung oder Person ausgehe, die mich aus dem einen oder anderen Grund fasziniert und neugierig macht. Im Falle von "Begegnung mit Skinner" war es die Frage, wie sich ein schweres Trauma auf ungewöhnliche Art zeigen könnte. Also dachte ich mir, dass ich die Filterfunktionen des Hirns meiner Protagonistin Laika mal kräftig durchschüttle, indem ich ihren Verstand und ihre Kreativität auslagere und diese als externe Manifestationen in die Geschichte einbaue. Nach der Etablierung einer Grundidee folge ich der Inneren Logik der begonnenen Geschichte und achte darauf, dass sie sich organisch und damit glaubwürdig, entwickelt. Die Menge an Fremdeinflüssen, die sich während dieser Phase einmischen, sind natürlich gewaltig - Romane, Sachbücher, Filme, Comics, reale Geschehnisse und Gespräche, wirre Einfälle, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, ect. Letztendlich sind Ideen also immer eine Ansammlung von tatsächlich eigenen Einfällen, Fremdeinflüssen und logischen Abläufen. Da ich zudem nie versuche, zielgerichtet für ein bestimmtes Publikum mit gewissen Erwartungshaltungen zu schreiben oder einen speziellen Effekt bloss um des Effekts willen zu erzielen, kann ich letztendlich meiner Kreativität freie Bahn lassen.
Ich hoffe, dass ich deine Frage damit wenigstens zum Teil beantworten konnte. Das echte Geheimnis um die Frage, woher Ideen kommen, darf ich natürlich unter keinen Umständen öffentlich verraten, weils mir sonst an den Kragen geht ;) .
*lach* Na dann wollen wir mal dafür sorgen, dass es deinem Kragen weiterhin gut geht und bohren an dieser Stelle nicht weiter ...
Deine Anwort lässt aber auch ohne die finale Quellenpreisgabe tief blicken!
Das Aussehen deiner Charaktere ist auch recht ungewöhnlich - stand da jemand / etwas Pate?
Bei der Schwester musste ich beispielsweise spontan an die Titelgestalt von Ascan von Bargens Legenden des Abendsterns denken (abgesehen davon, dass sie wohl beim Friseur gewesen sein muss). Daher meine Überlegung ob bei dir vielleicht auch Bilder, markante Menschen beim Bäcker, im Falle Elendes Biest vielleicht ein Haustier etc. im Hinterkopf rumschwirrten und Ausschlag für ihr Aussehen gaben ...
Ich versuche so weit als möglich ohne bestimmte Vorbilder meine Figuren zu entwerfen - was allerdings mein Unterbewusstsein mit in die Mischung wirft, kann ich nicht so genau bestimmen. Der Akt der Figuren-Schöpfung ist aber etwas, das mir beim Schreiben unheimlich viel Spass bereitet, und ich glaube, das merkt man dem Endprodukt auch an. Die einzige Person im Buch, bei der ich von zwei bestimmten Quellen inspiriert wurde und die ich optisch gar nicht gross ändern wollte, ist Salvador Skinner. Zum einen habe ich mich, was sein Aussehen betrifft, von Johnny Depp inspirieren lassen (allerdings nicht von seiner Rolle in 'Alice im Wunderland' - der Roman war ja längst fertig, als der Film in die Kinos kam), zum anderen von einer weltbekannten historischen Figur, über die ich an dieser Stelle noch nichts sagen will, weil es ein Spoiler wäre. Im späteren Verlauf des Romans wird diese Figur allerdings klar thematisiert und auch beim Namen genannt.
Was die Schwester der Apokalypse betrifft, habe ich mich lediglich gefragt, wie eine Kreatur, die mit ihrem Körper die Welt und ihre Struktur durchdringt, um sie zu analysieren und sich zu verinnerlichen das wohl machen würde. Finger hat ein menschenähnliches Wesen nicht genug, also wählte ich ganz einfach ihr Haar, das der Aufgabe vollauf gewachsen ist. ("Legenden des Abendsterns" habe ich übrigens nicht gelesen.)
Zu Elendes Bist gibt's noch was zu schreiben: Ich bin grundsätzlich ein riesiger Katzenfan. Daher wollte ich einfach irgend eine Katze oder zumindest ein katzenhaftes Wesen im Roman :) .
Zitat Der Akt der Figuren-Schöpfung ist aber etwas, das mir beim Schreiben unheimlich viel Spass bereitet, und ich glaube, das merkt man dem Endprodukt auch an.
Keine Frage!
Zitat also wählte ich ganz einfach ihr Haar, das der Aufgabe vollauf gewachsen ist.
Besser hättest du es kaum treffen können. So ein klein wenig 'Seelen'like, nur eben extern orientiert ...
Ich mag Katzen - und ich mag EB -> Mission geglückt.
Übrigens finde ich die Beschreibungen des Optischen sehr gelungen, man muss sich gar nicht lange mit der Frage aufhalten wie dieser oder jener Charakter wohl aussehen mag, sondern hat direkt ein lebendiges Bild vor Augen.
Es freut mich, dass dir meine Optik und wie ich die Dinge in Szene setze gefällt. Ich halte es für eine der schwierigsten Aufgaben des Autors, eben gerade so viel zu erzählen, dass eine greifbare Bilderflut entsteht, die den Leser mitreisst und ihm gleichzeitig doch noch genügend Freiraum lässt, damit seine eigene Fantasie sich voll entfalten kann. Natürlich gehen die Ansichten diesbezüglich auseinander - um nur ein Beispiel zu nennen: Ich hatte schon die heftigsten Diskussionen mit fanatischen "Herr der Ringe"-Jüngern, weil ich finde, dass Tolkien es mit seinen Beschreibungen massiv übertrieben hat. Ich will nicht jeden Busch und jeden Grashalm beschrieben sehen. Mit diesem Wust an Beschreibungen hat er nämlich die wirklich interessanten und gravierenden Stärken der Geschichte (Themen wie z.B. Freundschaft und Aufopferung für einen höheren Zweck) eher abgemindert.
Damit mich niemand falsch versteht: Ich mag "Herr der Ringe" wirklich sehr. Für die moderne Phantastik ist es ein Schlüsselwerk, ohne das heute wohl einiges in der Phantastik-Landschaft nicht so wäre, wie es eben ist. Aber blindwütige Verehrung kanns auch nicht sein. Gleiches gilt übrigens für den meiner Meinung nach überschätzten H.P. Lovecraft ... aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Thread :) .
Das sind über all die Jahre eine rechte Menge Autoren.
An erster Stelle stand und steht Stephen King, durch den ich ursprünglich zum Horror gefunden habe. Ausserdem halte ich ihn für DEN Meister, wenn es darum geht, Charakteren Leben einzuhauchen. Auch seine enorme Vielfalt an Themen gefällt mir.
Clive Barker ist für mich der epischste Horrorautor, dessen Kreativität eine schier endlose Bandbreite hat. Auch fliessen bei ihm oft Fantasy- und Phantastikelemente mit ein. Mit anderen Worten: Er lässt sich von Genregrenzen nicht einengen.
Dan Simmons gehört mit zu meinen Lieblingshorrorautoren. Allerdings betrachte ich ihn eher als richtigen Literaten, und wie King und Barker ist auch er unglaublich vielfältig in seinen Themen und Herangehensweisen.
Neil Gayman gehört ebenfalls dazu - und wieder einer, bei dem Horror lediglich ein Teil des Schaffens ist. Bei ihm gefällt mir der immer wieder vorkommende ironische Humor, was wohl mit seinen britischen Wurzeln zu tun hat.
Zwei Autoren, die für mich persönlich enorm wichtig sind, sind Joe R. Lansdale und Haruki Murakami. Allerdings schreiben diese beiden keinen waschechten Horror, obwohl immer wieder entsprechende Elemente und Stimmungsbilder in ihren Werken auftauchen.
Ich hoffe, das gibt dir einen kleinen Einblick in meine literarischen Vorlieben .