Amerika 1931: Der junge Student Jacob Jankowski, steht kurz vor seinem Abschluss als Veterinärmediziner, als seine Eltern bei einem Autounfall tödlich verunglücken. Von heute auf morgen gerät Jacobs Leben aus den Fugen… Die Tierarztpraxis seines Vaters, die Vater und Sohn gemeinsam weiterführen wollten, sowie das elterliche Haus werden Opfer der Wirtschaftskrise und fallen letztendlich der Bank zu. Sein ganzes Hab und Gut ist plötzlich weg. Und so verlässt er kurzerhand seinen Heimatort, springt auf einen vorbeifahrenden Zug auf und landet zufällig beim Zufall. Genauer gesagt bei „Benzinis spektakulärster Show der Welt“, die mit dem Zug durch ganz Amerika reist. Nach kurzer Zeit bestimmt Onkel Al (der Zirkuschef), dass Jacob fortan als Tierarzt bei ihnen arbeiten soll. Doch der anfängliche Schein des Zirkus trügt, hinter den Kulissen sieht es vollkommen anders aus. Jacob schlägt sich unter den Artisten und Arbeiter durch und lernt Marlena, die Frau des Stallmeisters August kennen. Vom ersten Moment fühlt er sich zu ihr hingezogen und Marlena scheint es ähnlich zu gehen – wäre da nur nicht ihr unberechenbarer Ehemann August. Als Onkel Al schließlich die Elefantendame Rosie ergattert, nimmt eine Tragödie ihren Lauf…
Jacob, unser Protagonist, war mir durchweg sympathisch. Er ist ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch, der sich durch den harten Alltag des Zirkus kämpft und dabei immer seine Liebe zu den Tieren beibehält. Vor allem die Elefantendame Rosie ist ihm an Herz gewachsen, weshalb er alles versucht, um diese vor dem gewaltbereiten und verrückten August zu beschützen. Im Laufe der Geschichte entwickelt Jacob Gefühle für Marlena und begibt sich damit in eine gefährliche Lage. Über Marlena erfährt man hingegen nicht allzu viel. Sie ist die hübsche Kunstreiterin im Zirkus, stammt aus gutem Haus, welches sie damals verließ, als sie August geheiratet hat. Mittlerweile ist ihre Liebe zu diesem ziemlich abgekühlt, doch scheiden lassen kommt für sie nicht in Frage. Die Ehe ist nur noch eine Illusion. August (seinerseits Dompteur und Stallmeister) ist für mich das absolute Gegenteil zu Marlena und Jacob. Er ist launisch, verrückt und unberechenbar. Er scheint zwei Gesichter zu haben. Im einen Moment ist er der beste Freund und im nächsten würde er dich am liebsten aus dem Zug werfen. Er hat eine hohe Gewaltbereitschaft und es ist immer nur eine Frage der Zeit, wann er wieder ausflippt. Dies merkt auch Jacob recht schnell.
Insgesamt gefallen mir die Charaktere, doch sie sind vom Wesen her etwas voraussehbar. z.B. die schöne Kunstreiterin, der cholerische Dompteur und Ehemann, die schlichten Gemüter der Arbeiter und der geldgierige und rücksichtslose Zirkusdirektor. Ein besonderer "Charakter" ist dagegen Rosie, die Elefantendame, auf deren Beschreibung Sara Gruen viel Wert legt und die mein Herz im Sturm erobert hat.
Meine Meinung
Sara Gruen schildert sehr authentisch das Treiben eines amerikanischen Zirkus Anfang der 30er Jahre, der mit dem Zug von Stadt zu Stadt fährt, ums Überleben kämpft und immer wieder auf der Suche nach neuen Nummern, Artisten und Kuriositäten ist. Das Leben ist knallhart und hat wenig mit der schillernden Seifenblase „Zirkus“ gemeinsam, die den Zuschauern vorgegaukelt wird. Jeder, der zu Benzini dazugehört, hat seinen Teil zu leisten, damit Geld eingenommen wird – koste was es wolle. Die Situation die herrscht wird keineswegs beschönigt. Man spürt beim Lesen recht schnell die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise: Es mangelt nicht nur an Geld, sondern auch an Schlafplätzen, Hygiene und Nahrung - egal ob für Menschen und Tiere. Eigentlich sollte man ja meinen, dass in dieser Not zusammengehalten werden müsste, leider auch ein Irrtum. Arbeiter und Artisten sitzen z.B. nie zusammen an einem Tisch. => Wenn das keine Hierarchie ist :P
Von Kapitel zu Kapitel spitzt sich die Handlung zu. Spätestens als Rosi kommt wird deutlich, dass der Zirkus funktionieren muss. Als Leser wartet man quasi darauf, dass irgendwann der große Knall bzw. Zusammenbruch kommt. Gerade, weil die Erzählform drauf hinaus arbeitet. Allerdings artet dieser Zusammenbruch in einer wahren Tragödie aus, mit deren Ausmaß ich nicht gerechnet hätte.
Doch bis dahin hat mir die Atmosphäre des Buches mit am besten gefallen. Ich habe mich die ganze Zeit über gefühlt, als ob ich mitten dabei wäre und zusammen mit den ganzen Artisten, Arbeitern und Tieren vom einen Ort zum anderen ziehen würde.
Der Schreibstil ist leicht verständlich und flüssig zu lesen. Doch vor allem auch sehr authentisch. Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. In der Gegenwart lebt der 93-jährige Jacob in einem Altersheim. Als in der Umgebung ein Zirkus aufbaut, erinnert sich der grummelige alte Mann an seine eigene Zeit beim Zirkus. Anhand dieser Erinnerungen erzählt er seine Lebensgeschichte, die von Elend, Gewalt, aber auch Liebe und Freundschaft geprägt ist.
Gleichzeit darf selbstverständlich auch nicht die gegenwärtige Erzählung vergessen werden. Obwohl Jacob bereits 93 Jahre alt ist, funktioniert sein Verstand und seiner Wahrnehmung noch ausgezeichnet, sodass er seine Wahrnehmungen seiner Umwelt recht eindrucksvoll schildert. Ich konnte ihn sehr gut verstehen und mich in ihn hineinfühlen. Er möchte doch nur noch einmal möchte den Flair einer Zirkusvorstellung erleben, seine Familie, die ihn nur selten besucht, verwehrt ihm diesen Spaß. Stattdessen wird er einfach nur auf dem Flur abgestellt und seiner selbst überlassen. Echt traurig! Da ist es verständlich, dass er sich in vergangene Tage zurückträumt. Natürlich denkt er auch an seine liebe Frau Marlena und den Anfang ihrer Liebesgeschichte zurück, die sich langsam und heimlich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Jedoch stellt sie längst nicht das zentrale Thema des Buches dar. "Wasser für die Elefanten" erzählt vorwiegend das Leben eines jungen Mannes, der zwar alles verloren hat, aber die Hoffnung auf das Gute nicht aufgibt. Die Geschichte ist sehr rührend und fesselt den Leser bis zum chaotischen Ende.
Mein Fazit
Sara Gruen beschreibt mal lustig und mal nachdenklich das Leben und Treiben in der bunten und harten Zirkuswelt. Sie zeigt wie schlimm es früher in Zirkussen wirklich war und es heute vielleicht immer noch ist. Dabei wechselt sie gekonnt zwischen damals und heute, sodass der Leser kein Problem hat dem Geschehen zu folgen. Der Protagonist erzählt von seinen Erinnerungen und seiner großen Liebe und überzeugt sowohl als alter und junger Mann. Jakob Jankowski hat in seinem Leben viel erlebt, wäre bestimmt interessant sich mit ihm zu unterhalten, da er sehr viel zu erzählen hat. Wunderbar auch die Erzählungen über die Elefantendame Rosie!Für mich ist der Roman ein schönes, ergreifendes Buch und in jedem Fall ein absoluter Lesetipp. Auch wenn das Ende ein wenig unrealistisch ist.